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Schwarz sah mich an. „Ich habe das Spotten langst aufgegeben. Die Angst vor großen Worten auch. Solange man spottet und Angst hat, versucht man, die Dinge auf ein kleineres Maß zu bringen als das, was sie haben."

„Vielleicht", sagte ich. „Aber soll man immerfort auf das Unmögliche starren und sagen: es ist unmöglich? Ist es nicht besser, es zu verkleinern und damit einen Streifen von Hoffnung hereinzulassen?"

„Sie haben recht! Verzeihen Sie mir. Ich vergaß, daß Sie auf der Flucht sind. Wer hat da Zeit, an Proportionen zu denken?"

„Sind Sie nicht auch auf der Flucht?" Schwarz schüttelte den Kopf. „Nicht mehr. Ich gehe zum zweiten Male zurück."

„Wohin?" fragte ich erstaunt. Ich ko

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Der Nachtklub war eines der typischen Lokale, geleitet von weißrussischen Emigranten, wie es sie nach der Revolution 1917 überall in Europa gibt, von Berlin bis Lissabon. Sie haben alle dieselben Kellner, die ehemals Aristokraten gewesen sind, dieselben Sängerchöre aus früheren Gardeoffizieren, dieselben hohen Preise und dieselbe melancholische Stimmung.

Sie haben auch dieselbe matte Beleuchtung, auf die ich rechnete. Die Deutschen hier, von denen der Kellner gesprochen hatte, waren bestimmt keine Emigranten. Sie waren wahrscheinlich Spione, Mitglieder der Botschaft oder Angestellte deutscher Firmen.

„Die Russen haben sich besser etabliert als wir", sagte Schwarz. „Sie waren uns in der Emigration allerdings auch um fünfzehn Jahre voraus. Und fünfzehn Jahre Unglück sind lang und geben eine Menge Erfahrung."

„Sie waren die erste Welle der Emigralion", erwiderte ich. „Man hatte noch Mitleid mit ihnen. Man gab ihnen Erlaubnis zu arbeiten und Papiere. Nansenpässe. Als wir kamen, war das Mitleid der Welt längst aufgebraucht. Wir waren lästig wie Termiten, und fast niemand war da, der für uns noch seine Stimme erhob. Wir dürfen nicht arbeiten, nicht existieren und haben immer noch keine Papiere."

Ich war nervös, seit wir hier saßen. Es lag wahrscheinlich an dem geschlossenen Raum mit den vielen Vorhängen, dem Bewußtsein, daß Deutsche hier sein sollten, und der Tatsache, daß ich zu weit von der Tür weg saß, um entkommen zu kö

Schwarz schien es zu spüren. Er griff in die Tasche und legte die beiden Fahrscheinhefte vor mich hin. „Nehmen Sie sie. Ich bin kein Sklavenhändler. Nehmen Sie sie und gehen Sie, we

Ich sah ihn sehr beschämt an. „Sie verstehen mich falsch. Ich habe Zeit. Alle Zeit der Welt."

Schwarz antwortete nicht. Er wartete. Ich nahm die beiden Hefte und steckte sie ein.

„Ich richtete es so ein, daß ich einen Zug fand, der am frühen Abend in Osnabrück ankam", fuhr Schwarz fort, als wäre nichts passiert. „Mir war plötzlich, als überschritte ich jetzt erst die Grenze. Alles vorher war noch Fremde gewesen, selbst Deutschland; jetzt aber bega

Mein Abscheu war bis dahin ein konformer, abstrakter Block gewesen. Das, was geschehen war, hatte alles in mir paralysiert und versteinert. Ich hatte nie das Bedürfnis, ja eher sogar Angst davor gehabt, es zu analysieren oder zu detaillieren. Jetzts plötzlich, bega

Die Landschaft hatte sich nicht geändert. Sie war dieselbe geblieben. Die Kirchtürme standen wie früher im gleichen sanften Grün ihrer Patina vor dem herabsinkenden Abend; der Fluß spiegelte den Himmel wie immer. Er eri





Der Zug hielt. Ich schob mich im Knäuel der anderen durch die Sperre. Die Bahnhofshalle hatte sich nicht verändert, seit ich sie zuletzt gesehen hatte; sie schien nur kleiner und staubiger zu sein, als ich sie im Gedächtnis hatte.

Als ich auf den Bahnhofsplatz trat, fiel alles, was ich vorher gedacht hatte, von mir ab. Es war dämmerig und feucht wie nach einem Regen, ich sah keine Landschaft mehr, alles in mir bebte auf einmal, und ich wußte, daß ich von jetzt an in großer Gefahr war. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, mir kö

Ich ging zum Schalter in die Halle zurück, um mir ein Retourbillett nach Münster zu kaufen; ich ko

„Einer um zweiundzwanzig Uhr zwanzig, einer um dreiundzwanzig Uhr zwölf."

Ich ging zu einem Automaten und zog eine Bahnsteigkarte. Ich wollte sie zur Hand haben, falls ich schnell verschwinden mußte, zu einer Zeit, we

Ich hatte beschlossen, einen Freund aus früheren Jahren, von dem ich wußte, daß er kein Anhänger des Regimes gewesen war, anzurufen. Am Telephon würde ich herausfinden, ob er mir helfen kö

Ich stand in der kleinen Glaskabine mit dem Telephonbuch und dem Apparat vor mir. Das Herz schlug mir so stark, als ich die Seiten mit den beschmutzten und geknickten Ecken umblätterte, daß ich glaubte es zu hören; ich glaubte sogar, daß andere es hören kö