Добавить в цитаты Настройки чтения

Страница 55 из 58

18

»Ich wollte am letzten größeren Ort vor der Grenze ein spanisches Visum für Helen bekommen. Die Menge vor dem Konsulat war erdrückend. Ich mußte riskieren, daß der Wagen schon gesucht würde; eine andere Möglichkeit gab es nicht. Georgs Paß enthielt ein Visum.

Ich fuhr den Wagen langsam heran. Die Menge bewegte sich erst, als sie die deutsche Nummer erka

Ich bekam das Visum sofort, als ich meinen Paß vorlegte. Der Vizekonsul sah mein Gesicht. Meine Hände ko

Ich kam heraus. Um den Wagen hatte sich ein leerer Raum gebildet. Hinten im Wagen saß ein verängstigter Junge von ungefähr zwölf Jahren. Er drückte sich in die Ecke und war nichts als Augen und an den Mund gepreßte Hände. ›Wir müssen ihn mitnehmen‹, sagte Helen.

›Warum?‹

›Er hat ein Papier, das in zwei Tagen abläuft. We

Helen sah mich an. Sie war sehr ruhig.

›Wir haben ein Leben genommen‹, sagte sie auf englisch. ›Wir sollten eines retten.‹

›Hast du ein Papier?‹ fragte ich den Jungen.

Er hielt mir schweigend eine Aufenthaltserlaubnis entgegen. Ich nahm sie und ging in das Konsulat zurück. Es war mir sehr schwer, zurückzugehen; der Wagen draußen schien aus hundert Lautsprechern sein Geheimnis hinauszuschreien. Ich sagte dem Sekretär nachlässig, daß ich ganz vergessen hätte, daß ich noch ein Visum brauche – dienstlich, für eine Rekognition jenseits der Grenze. Er stutzte, als er das Papier sah, lächelte da

Ich stieg in den Wagen. Die Stimmung war noch feindseliger geworden. Wahrscheinlich dachte man, ich wollte den Jungen in ein Lager entführen.

Ich verließ die Stadt und hoffte, mein Glück würde halten. Das Steuerrad des Wagens wurde jede Stunde heißer in meiner Hand. Ich fürchtete, daß ich ihn bald verlassen müßte, aber ich hatte keine Idee, was da

Wir fuhren weiter. Es war ein sonderbarer Tag. Das Diesseits und das Jenseits schienen abgefallen zu sein in zwei Abgründe, und wir fuhren auf einem schmalen Grat in einer hohen, wolkenverhangenen Landschaft wie in der Kabine einer Seilbahn. Das nächste, womit ich es vergleichen kö

Es ging alles gut. Niemand fragte an der französischen Grenze nach einer Ausreiseerlaubnis. Ich zeigte nur flüchtig meinen Paß vor und machte die Eintragungen für den Wagen. Die Gendarmen salutierten, der Schlagbaum ging hoch, und wir verließen Frankreich. Einige Minuten später bewunderten die spanischen Zollbeamten den Wagen und wollten wissen, wieviel Kilometer er mache. Ich gab irgendeine Auskunft, und sie bega

Ich lehnte mich zurück. Der Grat und die Wolken verschwanden. Ein fremdes Land lag vor uns; ein Land, das nicht mehr wie Europa aussah. Wir waren noch nicht entkommen, aber zwischen Frankreich und diesem Land lag ein Abgrund. Ich sah die Straßen, die Esel, die Leute, die Trachten, die harte, steinige Landschaft – wir waren in Afrika. Dies war der wirkliche Westen, jenseits der Pyrenäen, das fühlte ich. Da

›Nun bist du da, wohin du wolltest‹, flüsterte sie.

Ich wußte nicht, was sie meinte. Ich war noch zu voll von Unglauben, daß alles so leicht gegangen war. Ich dachte an die Höflichkeit, die Grüße, das Lächeln – zum erstenmal seit Jahren hatte ich das wieder getroffen, und ich hatte töten müssen, um wie ein Mensch behandelt zu werden. ›Weshalb weinst du?‹ fragte ich. ›Wir sind noch nicht gerettet. Spanien ist voll von Gestapoleuten. Wir müssen so rasch wie möglich hindurch.‹

Wir schliefen in einem kleinen Ort. Ich hatte eigentlich den Wagen irgendwo stehenlassen und mit der Bahn weiterfahren wollen. Ich tat es nicht. Spanien war unsicher; ich wollte es so rasch wie möglich wieder verlassen. Der Wagen wurde in einer unerklärlichen Weise so etwas wie eine finstere Maskotte; seine technische Vollkommenheit verdrängte auch den Schauder, den ich vor ihm hatte. Ich brauchte ihn zu sehr; ich dachte nicht mehr an Georg. Er hatte zu lange als Drohung über meinem Leben gehangen; jetzt war er fort, und ich empfand fast nur das. Ich dachte an den Lächler; er lebte und ko

Ich erreichte die portugiesische Grenze spät in der folgenden Nacht. Visa hatte ich ohne Schwierigkeit unterwegs bekommen. Ich ließ Helen an der Grenze im Wagen mit laufendem Motor. We

Nichts geschah. Im wehenden Dunkel standen die uniformierten Beamten wie Figuren in einem Bilde Goyas. Sie salutierten, und wir fuhren zur portugiesischen Station, wo wir in derselben Weise eingelassen wurden. Gerade als der Wagen angefahren war, kam einer der Beamten hinter uns hergelaufen und rief uns zu, zu halten. Ich überlegte rasch und hielt da

›Danke vielmals!‹

Hinter mir stieß der Junge den Atem aus. Ich selbst hatte einen Moment das Gefühl, ohne Schwerkraft zu sein, so erleichtert war ich.

›Jetzt bist du in Portugal‹, sagte ich zu dem Jungen. Er nahm langsam die Hände vom Mund und lehnte sich zum erstenmal zurück. Die ganze Fahrt hatte er vorgebeugt gesessen.