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Erich Maria Remarque

Die Nacht von Lissabon

BUCH

Das dunkle Jahr 1942. Am nächtlichen Kai in Lissabon starrt ein Ma

Erich Maria Remarque, der schon ein Jahr vor dem großen deutschen Unglück seine Heimat verließ und dem der Erfolg des Romans vom Ersten Weltkrieg»Im Westen nichts Neues«gerade noch rechtzeitig die Welt geöffnet hatte, bevor sie sich anderen verschloß, hat bis heute nicht verwunden, was in jenen Jahren von Deutschen im Namen Deutschlands verübt worden ist.

Die Nacht von Lissabon ist das ergreifendste und wahr-haftigste Buch von Remarque, in dem er noch einmal das unausschöpfbare Thema unseres Vaterlandes aufnimmt.

Hier zeigt sich eine bewundernswerte, selbstgewisse Meisterschaft: seine einzigartige Fähigkeit, die Szenen und Szenerien seiner Romane aufzubauen, seine Figuren in der Barmherzigkeit des Mitleids zu objektivieren. Die beklemmende Echtheit der Atmosphäre, die spröde Eleganz seiner Dialoge sind in einer geradezu vollkommenen Weise dem Gegenstand angemessen. Und so wird auch der Leser, der aus Überdruß an der Wahrheit ablehnen möchte, in jene Zeit zurückgeführt zu werden, gegen seinen Willen in die Lektüre dieses Romans gezwungen, in die Lektüre eines großen Romans, der in der Ungewöhnlichkeit der Umstände, die nicht der Schriftsteller geliefert hat, die Geschichte von zwei Menschen erzählt, von der Liebe zweier Menschen, von der Kraft ihrer Herzen.

Die Nacht von Lissabon bewirkt, was alle großen Romane der Literatur bewirken, daß der Leser am Ende der Lektüre anders ist, als er war, bevor er an die Lektüre heranging. Und so ist es doch die Geschichte vom Elend und von der Größe des Menschen unter den Umständen einer verworfenen Zeit.

1

Ich starrte auf das Schiff. Es lag ein Stück vom Quai entfernt, grell beleuchtet, im Tejo. Obschon ich seit einer Woche in Lissabon war, hatte ich mich noch immer nicht an das sorglose Licht dieser Stadt gewöhnt. In den Ländern, aus denen ich kam, lagen die Städte nachts schwarz da wie Kohlengruben, und eine Laterne in der Dunkelheit war gefährlicher als die Pest im Mittelalter. Ich kam aus dem Europa des zwanzigsten Jahrhunderts.

Das Schiff war ein Passagierdampfer, der beladen wurde. Ich wußte, daß es am nächsten Abend abgehen sollte. Im harten Schein der nackten elektrischen Birnen wurden Ladungen von Fleisch, Fisch, Konserven, Brot und Gemüse verstaut; Arbeiter schleppten Gepäck an Bord, und ein Kran schwang Kisten und Ballen so lautlos herauf, als wären sie ohne Gewicht. Das Schiff rüstete sich zur Fahrt, als wäre es eine Arche zur Zeit der Sintflut. Es war eine Arche. Jedes Schiff, das in diesen Monaten des Jahres 1942 Europa verließ, war eine Arche. Der Berg Ararat war Amerika, und die Flut stieg täglich. Sie hatte Deutschland und Österreich seit langem überschwemmt und stand tief in Polen und Prag; Amsterdam, Brüssel, Kopenhagen, Oslo und Paris waren bereits in ihr untergegangen, die Städte Italiens stanken nach ihr, und auch Spanien war nicht mehr sicher. Die Küste Portugals war die letzte Zuflucht geworden für die Flüchtlinge, denen Gerechtigkeit, Freiheit und Toleranz mehr bedeuteten als Heimat und Existenz. Wer von hier das gelobte Land Amerika nicht erreichen ko

Ich war nachmittags im Casino von Estoril gewesen, um zu spielen. Ich besaß noch einen guten Anzug, und man hatte mich hineingelassen. Es war ein letzter, verzweifelter Versuch gewesen, das Schicksal zu bestechen. Unsere portugiesische Aufenthaltserlaubnis lief in wenigen Tagen ab, und Ruth und ich hatten keine anderen Visa. Das Schiff, das im Tejo lag, war das letzte, mit dem wir in Frankreich gehofft hatten, New York zu erreichen; aber es war seit Monaten ausverkauft, und uns hätten, außer der amerikanischen Einreiseerlaubnis, auch noch über dreihundert Dollar Fahrgeld gefehlt. Ich hatte versucht, wenigstens das Geld zu bekommen, in der einzigen Art, die hier noch möglich war – durch Spielen. Es war si

Der Quai war in der späten Nacht ziemlich leer. Nach einer Weile bemerkte ich jedoch einen Ma

Kurz darauf hörte ich Schritte hinter mir. Ich ging weiter, ohne schneller zu werden, während ich überlegte, wie ich Ruth benachrichtigen kö

Der Ma

Ich schüttelte den Kopf und ging weiter.

»Österreicher?«

Ich antwortete nicht. Ich sah auf die pastellfarbenen Häuser, die viel zu langsam näherkamen. Ich wußte, daß es portugiesische Polizisten gab, die sehr gut deutsch sprachen.

»Ich bin kein Polizist«, sagte der Ma

Ich glaubte ihm nicht. Er war in Zivil, aber Gendarmen in Zivil hatten mich ein halbes dutzendmal in Europa festgenommen. Ich hatte zwar jetzt Ausweispapiere bei mir, die nicht schlecht gemacht waren, in Paris von einem Mathematikprofessor aus Prag, aber sie waren etwas gefälscht.