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Nach einer Weile höre ich wieder, was der kleine Dickkopf redet. Er hat also mit dem Vorsteher eine lange Sitzung gehabt und die Sache bereinigt. Nur seiner Persönlichkeit ist das zu danken. Wir dürfen wieder Grabsteine nach Wüstringen liefern.

»Was sollen wir jetzt tun?«frage ich.»Sie anbeten?«

Er wirft mir einen giftigen Blick zu.»Passen Sie auf, daß Sie nicht einmal zu weit gehen!«

»Wie weit?«

»Zu weit. Vergessen Sie nicht, daß Sie hier Angestellter sind.«

»Ich vergesse das dauernd. Sonst müßten Sie mir dreifaches Gehalt zahlen – als Zeichner, Bürochef und Reklamechef. Im übrigen stehen wir nicht im militärischen Verhältnis zueinander, sonst müßten Sie vor mir strammstehen. Und we

Die Tür öffnet sich, und Georg erscheint in einem fuchsroten Pyjama.»Redest du von Wüstringen, Heinrich?«

»Wovon sonst?«

»Da

»Sklaven und Knechte gäbe es da

»Der Vertrag von Versailles! Natürlich!«Georg tut einen Schritt vorwärts. Der Duft des Glühweins umschwebt ihn stark.»Hätten wir den Krieg gewo

Georg sieht sich um, als erwache er. Sein Gesicht ist jetzt so rot wie sein Pyjama, und sogar die Glatze hat eine rosige Farbe. Heinrich ist erschreckt zurückgewichen. Georg folgt ihm. Er ist sehr wütend. Heinrich weicht weiter zurück.»Steck mich nicht an!«schreit er.»Du bläst mir ja deine Bazillen ins Gesicht! Wohin soll das führen, we

»Niemand dürfte mehr sterben«, sage ich.

Es ist ein schönes Bild, die kämpfenden Brüder zu sehen. Georg im roten Satinpyjama, schwitzend vor Wut, und Heinrich im kleinen Gesellschaftsanzug, voller Sorge, die Grippe zu erwischen. Die Szene wird außer mir noch von Lisa beobachtet, die in einem Morgenrock mit eingedruckten Segelschiffen trotz des Wetters weit aus dem Fenster hängt. Im Hause Knopf steht die Tür offen. Der Regen hängt wie ein Vorhang von Glasperlen davor. Es ist so dunkel dri





Georg bleibt stehen und lacht.»Was bin ich für ein Idiot«, sagt er.»Als ob die Sorte je etwas lernen würde!«

»Woher hast du das Pyjama?«frage ich.»Bist du in die kommunistische Partei eingetreten?«

Händeklatschen kommt von gegenüber. Lisa überschüttet Georg mit Beifall – ein starkes Stück von Disloyalität gegen Watzek, den aufrechten Nationalsozialisten und künftigen Schlachthofdirektor. Georg verneigt sich, die Hand aufs Herz gedrückt.»Leg dich ins Bett«, sage ich.»Du bist ja ein Springbru

»Schwitzen ist gesund! Schau dir den Regen an! Da schwitzt der Himmel. Und drüben das Stück Leben, in seinem offenen Morgenrock, mit weißen Zähnen und voll von Gelächter! Was tun wir hier? Warum zerspringen wir nicht wie Feuerwerk? We

Er greift nach der Flasche Kornschnaps.»Halt!«sage ich.»Es ist noch Wein da. Ich werde ihn sofort auf dem Spirituskocher heiß machen. Keinen Schnaps jetzt! Du hast Fieber! Roten, heißen Wein, gewürzt mit den Spezereien Indiens und der Sundainseln!«

»Gut! Erhitze ihn! Aber warum sind wir nicht selbst auf den Inseln der Hoffnung und schlafen mit Frauen, die nach Zimt riechen und deren Augen weiß werden, we

Die blaue Flamme des Spirituskochers bre

Ich reiche Georg eine Zigarre aus der Kiste für die besten Agenten. Er entzündet sie und bläst ein paar tadellose Rauchringe. Sein Pyjama zeigt dunkle Wasserflecke.»Auf dem Wege«, sagt er.»Warum sind wir noch nicht da?«

»Wir sind da. Man ist immer und überall da. Zeit ist ein Vorurteil. Das ist das Geheimnis des Lebens. Man weiß es nur nicht. Man bemüht sich immer, irgendwo anzukommen!«

»Warum weiß man es nicht?«fragt Georg.

»Zeit, Raum und das Kausalgesetz sind der Schleier der Maja, der die freie Sicht behindert.«

»Warum?«

»Sie sind die Peitschen, mit denen Gott verhindert, daß wir ihm gleich werden. Er jagt uns mit ihnen durch ein Panorama von Illusionen und durch die Tragödie der Dualität.«

»Welcher Dualität?«

»Der von Ich und Welt. Von Sein und Leben. Objekt und Subjekt sind nicht mehr eins. Geburt und Tod sind die Folgen. Die Kette klirrt. Wer sie zerreißt, zerreißt auch Geburt und Tod. Laßt es uns versuchen, Rabbi Kroll!«

Der Wein dampft. Er riecht nach Gewürznelken und Zitronen. Ich gebe Zucker hinein, und wir trinken. Beifall kommt aus der Kabine des Sklavenschiffes Mohammed ben Hassan ben Jussuf ben Watzek auf der anderen Seite des Golfes. Wir verneigen uns und setzen die Gläser nieder.»Wir sind also unsterblich?«fragt Georg kurz und ungeduldig.

»Nur hypothetisch«, erwidere ich.»In der Theorie – de