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Die Kapelle spielt jetzt»Das Schwarzwaldmädel«. Die Hüter der Nationalhymne ziehen sich unter dunklen Drohungen zurück. Es ist möglich, daß sie draußen über uns herfallen wollen. Wir schätzen sie ab; sie hocken in der Nähe der Tür. Es sind etwa zwanzig. Der Kampf wird ziemlich aussichtslos für uns sein.

Doch auf einmal kommt unerwartet Hilfe. Ein vertrockneter kleiner Ma

»Gemacht, Bodo. Du bist von Gott gesandt worden.«

»Das nicht. Aber dies ist kein Platz für vernünftige Leute. Wir sind nur für ein Glas Bier hereingekommen. Leider hat der Wirt hier das beste Bier in der ganzen Stadt. Sonst ist er ein charakterloses Arschloch.«

Ich finde, daß Bodo ziemlich weitgeht, in diesen Zeiten selbst von einem so einfachen menschlichen Organ noch Charakter zu verlangen; aber es ist trotzdem erhebend, gerade deswegen. In faulen Zeiten soll man unmögliche Ansprüche stellen.

»Wir gehen bald«, sagt Bodo noch.»Ihr auch?«

»Sofort.«

Wir zahlen und erheben uns. Bevor wir an der Tür sind, sind die Hüter der Nationalhymne bereits draußen. Sie haben wie durch Zauber auf einmal Knüppel, Steine und Schlagringe in den Händen. Im Halbkreis stehen sie vor dem Eingang.

Bodo ist plötzlich zwischen uns. Er schiebt uns zur Seite, und seine zwölf Ma

Die Hüter des Reiches starren uns an.»Feiglinge!«sagt schließlich der Befehlshaber, der mit zwanzig Ma

»Sicher«, sagt Willy.»Dafür haben wir ein paar Jahre im Schützengraben gelegen. Seht aber zu, daß ihr immer drei- oder viermal so viele seid. Übermacht gibt Patrioten Zuversicht.«

Wir gehen mit Bodos Verein die Große Straße hinunter. Die Sterne stehen am Himmel. In den Läden bre

»Ihr müßt ein anderes Café haben«, sagt Bodo.»Wie ist es mit unserem? Da gibt es keine solchen Brüllaffen. Kommt mit, wir zeigen es euch!«

Sie zeigen es uns. Unten gibt es Kaffee, Selters, Bier und Eis – oben sind die Versammlungsräume. Bodos Verein ist ein Gesangsverein. Die Stadt wimmelt von Vereinen, die alle ihre Vereinsabende, ihre Statuten, ihre Tagesordnungen haben und sich sehr wichtig und ernst nehmen. Bodos Verein tagt do

»Wir haben einen schönen vierstimmigen Mä

»Willy ist ein erster Tenor«, erkläre ich.

»Tatsächlich?«Bodo sieht ihn interessiert an.»Sing mal diesen Ton nach, Willy.«

Bodo flötet wie eine Drossel. Willy flötet nach.»Gutes Material«, sagt Bodo.»Nun diesen!«

Willy schafft auch den zweiten.»Werde Mitglied«, drängt Bodo jetzt.»We

Willy ziert sich etwas, aber zu unserem Erstaunen beißt er an. Er wird sofort zum Schatzmeister des Klubs erna





»Ich werde es ihr heute abend noch sagen«, erklärt Willy.»Kinder, wird sie lachen! In allen Stimmlagen!«

Georg und ich gehen schließlich. Willy bewacht vom ersten Stock aus den Platz; er rechnet, als alter Soldat, noch mit einem Hinterhalt der Hüter der Nationalhymne. Aber nichts geschieht. Der Marktplatz liegt ruhig unter den Sternen. Rundum stehen die Fenster der Kneipen offen. Gewaltig dringt es aus Bodos Vereinslokal:»Wer hat dich, du schöner Wald, aufgebaut so hoch da droben«?

»Sag mal, Georg«, frage ich, als wir in die Hakenstraße einbiegen.»Bist du eigentlich glücklich?«

Georg Kroll lüftet seinen Hut vor etwas Unsichtbarem in der Nacht.»Eine andere Frage!«sagt er.»Wie lange ka

XI

Regen stürzt vom Himmel. Nebel dampfen aus dem Garten dagegen. Der Sommer ist ertrunken, es ist kalt, und der Dollar steht auf hundertzwanzigtausend Mark. Mit mächtigem Krach bricht ein Teil der Dachtraufe nieder, und das Wasser schießt vor unserem Fenster herunter wie ein grauer Glaswall. Ich verkaufe zwei Engel aus Bisquitporzellan und einen Imortellenkranz an eine zarte Frau, deren beide Kinder an Grippe gestorben sind. Nebenan liegt Georg und hustet. Er hat auch die Grippe, aber ich habe ihn mit einer Ka

»Keineswegs. Immer los.«

Er gibt einige Aufträge an. Es sind kleinere Hügelsteine aus rotem Syenit, eine Marmorplatte, ein paar Grabeinfassungen – der Alltag des Todes, nichts Besonderes. Nachher steht er noch eine Zeitlang unschlüssig herum, wärmt sich am kalten Ofen seinen Hintern, betrachtet eine Anzahl Gesteinsproben, die seit zwanzig Jahren im Büro auf den Regalen liegen, und schießt endlich los:»We

Ich antworte nicht, um ihn zu ärgern.

»Pleite, sage ich«, erklärt er.»Und ich weiß, was ich sage.«

»Wirklich?«Ich blicke ihn freundlich an.»Wozu da

»Verteidigung? Ich brauche mich nicht zu verteidigen! Aber was da in Wüstringen passiert ist -«

»Hat man die Mörder des Tischlers gefunden?«

»Mörder? Was geht das uns an? Und wer redet bei so was von Mord? Es war ein Unfall. Der Ma

Ich drehe mich zum Fenster und blicke in den Regen. Heinrich Kroll gehört zu den Menschen, die nie einen Zweifel an ihren Anschauungen haben – das macht sie nicht nur langweilig, sondern auch gefährlich. Sie sind die eherne Masse unseres geliebten Vaterlandes, mit der man immer wieder in einen Krieg ziehen ka