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Der Schreiber war ein schmaler, pickliger Mensch, der an einen Hering eri

»Ludwig Kern.«

»Geboren?«

»Dreißigster November neunzehnhundertvierzehn in Dresden.«

»Also Deutscher?«

»Nein. Staatenlos. Ausgebürgert.«

Der Oberkommissär blickte auf.»Mit einundzwanzig? Was haben’s de

»Nichts. Mein Vater ist ausgebürgert worden. Da ich damals minderjährig war, ich auch.«

»Und weshalb Ihr Vater?«

Kern schwieg einen Augenblick. Ein Jahr Emigration hatte ihn Vorsicht mit jedem Wort bei Behörden gelehrt.»Er wurde zu Unrecht als politisch unzuverlässig denunziert«, sagte er schließlich.

»Jude?«fragte der Schreiber.

»Mein Vater. Meine Mutter nicht.«

»Aha!«

Der Oberkommissär schnippte die Asche seiner Zigarette auf den Boden.»Warum sind Sie de

»Man hat uns unsere Pässe abgenommen und uns ausgewiesen. Wir wären eingesperrt worden, we

Der Oberkommissär lachte trocken.»Ka

»An der tschechischen Grenze genügte damals für den kleinen Grenzverkehr ein einfacher Einwohner-Meldeschein. Den hatten wir noch. Man ko

»Und nachher?«

»Wir bekamen drei Monate Aufenthaltserlaubnis. Da

»Wie lange sind Sie schon in Österreich?«

»Drei Monate.«

»Warum haben Sie sich nicht bei der Polizei gemeldet?«

»Weil ich da

»Na, na!«Der Oberkommissär schlug mit der flachen Hand auf die Sessellehne.»Woher wissen Sie das so genau?«

Kern verschwieg, daß er und seine Eltern sich das erste Mal, als sie über die österreichische Grenze gegangen waren, sofort bei der Polizei gemeldet hatten. Sie waren am gleichen Tage über die Grenze zurückgeschoben worden. Als sie da

»Ist es vielleicht nicht wahr?«fragte er.

»Sie haben hier nicht zu fragen; Sie haben nur zu antworten«, sagte der Schreiber grob.

»Wo sind Ihre Eltern jetzt?«fragte der Oberkommissär.

»Meine Mutter ist in Ungarn. Sie hat dort eine Aufenthaltserlaubnis bekommen, weil sie ungarischer Herkunft ist. Mein Vater ist verhaftet und ausgewiesen worden, als ich nicht im Hotel war. Ich weiß nicht, wo er ist!«

»Was sind Sie von Beruf?«

»Ich war Student.«

»Wovon haben Sie gelebt?«

»Ich habe etwas Geld.«

»Wieviel?«

»Ich habe zwölf Schilling hier. Das andere habe ich bei Beka

Kern besaß nicht mehr als die zwölf Schilling. Er hatte sie verdient durch Handel mit Seife, Parfüm und Toilettewasser. Hätte er das jedoch zugegeben, wäre er auch wegen verbotener Arbeit strafbar gewesen.

Der Oberkommissär erhob sich und gähnte.»Sind wir durch?«

»Es ist noch einer unten«, sagte der Schreiber.

»Wird auch dasselbe sein. Viel Gescher und wenig Wolle.«Der Oberkommissär warf einen schiefen Blick auf den Offizier.»Alles Leute, die illegal eingereist sind. Sieht nicht nach kommunistischem Komplott aus, was? Wer hat de

»Jemand, der auch so eine Bude hat. Nur mit Wanzen«, sagte der Schreiber.»Geschäftsneid wahrscheinlich.«

Der Oberkommissär lachte. Da

MAN BRACHTE KERN in eine kleinere Zelle als vorher. Außer ihm befanden sich noch fünf der Verhafteten darin; darunter der Pole, der mit im Zimmer geschlafen hatte. Nach einer Viertelstunde brachte man auch Steiner. Er setzte sich neben Kern.»Das erstemal im Kasten, Kleiner?«

Kern nickte.

»Und? Fühlst dich wie ein Mörder, was?«





Kern verzog die Lippen.»Ungefähr. Gefängnis – ich habe da noch so Vorstellungen von früher her.«

»Das hier ist nicht Gefängnis«, belehrte Steiner ihn.»Es ist Haft. Gefängnis kommt später.«

»Warst du schon drin?«

»Ja. Wirst es dir das erstemal zu Herzen nehmen. Da

»Und mit Paß? Mit Paß bekommst du doch auch nirgendwo im Ausland Arbeitserlaubnis.«

»Natürlich nicht. Du hast damit nur das Recht, in Ruhe zu verhungern. Nicht auf der Flucht. Das ist schon viel.«

Kern starrte vor sich hin.

Steiner schlug ihm auf die Schulter.

»Kopf hoch, Baby!

Du hast dafür das Glück, im zwanzigsten Jahrhundert zu leben – im Jahrhundert der Kultur, des Fortschritts und der Menschlichkeit.«

»Gibt es hier eigentlich nichts zu essen?«fragte ein kleiner Ma

»Sie brauchen nur dem Kellner zu klingeln«, erwiderte Steiner.»Er soll die Karte bringen. Es gibt hier vier Menüs zur Auswahl. Kaviar à discretion selbstverständlich.«

»Essen särr schlecht hierr«, sagte der Pole.

»Ach, da ist ja unser Jesu Christo!«Steiner betrachtete ihn interessiert.»Bist du Professional hier?«

»Särr schlecht«, wiederholte der Pole.»Und so wenig…«

»O Gott!«sagte der Glatzkopf in der Ecke.»Und ich habe ein gebratenes Huhn in meinem Koffer. Wa

»In vierzehn Tagen«, erwiderte Steiner.»Das ist die übliche Strafe für Emigranten ohne Papiere. Nicht wahr, Jesu Christo? Du ke

»Vierzehn Tage«, bestätigte der Pole.»Odärr länger. Essen särr we

»Verflucht! In der Zeit ist das Huhn verfault.«Der Glatzkopf stöhnte.»Mein erstes Poulet seit zwei Jahren. Zusammengespart, Groschen für Groschen. Heute mittag wollte ich es essen.«

»Warten Sie bis heute abend mit Ihrem Schmerz«, sagte Steiner.»Da

»Was? Was reden Sie da für Unsi

»Da

»Fürr mich das nicht schlimm«, mischte sich der Pole ein.»Esse nie Poulet.«

»Für dich ka

»Auch we

»Ma

»Sogar we

»Herrgott! Hat man so was schon mal gehört!«Der Besitzer des Huhns im Koffer drückte verzweifelt die Hände gegen die Augen.

»Mit gebratenen Poulets ka

»Auch nicht«, erklärte der Pole fest.

»Und Paprikahuhn?«

»Ibberhaupt kein Huhn!«Der Pole strahlte.

»Ich werde verrückt!«heulte der gemarterte Besitzer des Poulets.

Steiner drehte sich um.»Und Eier, Jesu Christo? Hühnereier?«

Das Strahlen verschwand.»Eierchen. Ja! Eierchen gärne!«Ein Schimmer von Sehnsucht umflog den zerrauften Bart.»Särr gärne.«

»Dem Himmel sei Dank! Endlich ein Loch in der Vollkommenheit!«

»Eierchen särr gärne«, beteuerte der Pole.»Vierr Stück, sechs Stück, zwölf Stück, gekocht sechs Stück, andere gebraten. Mit Bratkartoffelchens. Bratkartoffelchens mit Speck.«