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»Sicher nicht«, erwidere ich und sehe Otto Bambuss sich heranpirschen.

Eine Stunde später habe ich von Bambuss die»Stimmen der Stille«mit schmeichelhafter Widmung in der Tasche, dazu in Schreibmaschinen-Durchschlägen die exotischen Sonette»Die Tigerin«, die ich in Berlin anbringen soll – von Sommerfeld trage ich die Abschrift seines Buches vom Tode in freien Rhythmen bei mir – von anderen Mitgliedern ein Dutzend weitere Arbeiten in Kopien – und von Eduard den Durchschlag seines Päans auf den Tod eines Freundes, hundertundachtundsechzig Zeilen, die Valentin, dem Kameraden, Mitkämpfer und Menschen gewidmet sind. Eduard arbeitet schnell.

Es ist plötzlich alles weit weg.

Es ist so weit weg wie die Inflation, die vor zwei Wochen gestorben ist – oder die Kindheit, die von einem Tage zum andern in einem Militärrock erstickt wurde. Es ist so weit weg wie Isabelle.

Ich sehe die Gesichter an. Sind es noch die Gesichter staunender Kinder, die dem Chaos oder dem Wunder gegenüberstehen, oder sind es bereits die Gesichter betriebsamer Vereinsmeier? Ist in ihnen noch etwas von dem hingerissenen und entsetzten Antlitz Isabelles, oder sind es nur die Imitatoren und geschwätzigen Wichtigtuer des Zehntel-Talents, das jede Jugend hat und dessen Verglimmen sie großsprecherisch und neidisch besingen, anstatt ihm schweigend zuzuschauen und einen Funken davon in ihr Dasein hinüberzuretten?

»Kameraden«, sage ich.»Ich trete hiermit aus eurem Klub aus.«

Alle Gesichter wenden sich mir zu.»Ausgeschlossen! Du bleibst korrespondierendes Mitglied des Klubs in Berlin«, erklärt Hungerma

»Ich trete aus«, sage ich.

Einen Augenblick schweigen die Poeten. Sie sehen mich an. Irre ich mich, oder sehe ich in einigen Augen etwas wie Angst vor einer Entdeckung?»Du meinst das wirklich?«fragt Hungerma

»Ich meine es wirklich.«

»Gut. Wir nehmen deinen Austritt an und erne

Hungerma

»Ich danke euch«, erwidere ich.»Es ist ein stolzer Moment. Aber ich ka

»Das ist kein schöner Vergleich«, erklärt Sommerfeld, der Poet des Todes.

»Es sei ihm gestattet«, erwidert Hungerma

Ich lache.»Als kleiner Funke Leben, der versuchen wird, nicht zu erlöschen.«

»Du lieber Gott«, sagt Bambuss.»Steht das nicht ähnlich schon bei Euripides?«

»Möglich, Otto. Da

»Es steht nicht bei Euripides«, erklärt Hungerma

»Ich habe gestern abend ein Feuer gemacht«, sage ich.»Es bra

Sie nicken alle eifrig. Sie ke

Eduard kalkuliert blitzschnell. Er kalkuliert auch Valentin ein und das Gedicht über ihn in meiner Tasche.»In drei«, sagt er.

Willy sitzt in einem kleinen Zimmer. Er hat es gegen seine elegante Wohnung getauscht. Es ist ein mächtiger Sprung in die Armut, aber Willy erträgt ihn gut. Er hat seine Anzüge gerettet, etwas Schmuck, und er wird dadurch noch lange Zeit ein eleganter Kavalier sein. Das rote Auto hat er verkaufen müssen. Er hatte zu waghalsig nach unten spekuliert. Die Wände seines Zimmers hat er selbst tapeziert – mit Geldscheinen und wertlosen Aktien der Inflation.»Es war billiger als eine Tapete«, erklärt er.»Und unterhaltender.«

»Und sonst?«

»Ich werde wahrscheinlich einen kleinen Posten bei der Werdenbrücker Bank bekommen.«Willy grinst.»Renée ist in Magdeburg. Großer Erfolg im „Grünen Kakadu“, schreibt sie.«

»Schön, daß sie wenigstens noch schreibt.«

Willy macht eine großzügige Geste.»Macht alles nichts, Ludwig. Weg ist weg und hin ist hin! Außerdem – in den letzten Monaten ko





»Ja«, sage ich.

Willy begleitete mich bis zur Straße.»Ich habe ein paar hundert Mark gerettet«, flüstert er.»Noch ist das Vaterland nicht verloren! Der französische Franc ist dran. Werde da auf Baisse spekulieren. Hast du Lust, mit einer kleinen Einlage mitzugehen?«

»Nein, Willy. Ich spekuliere nur noch auf Hausse.«

»Hausse«, sagt er, als sage er: Popokatepetl.

Ich sitze allein im Büro. Es ist der letzte Tag. Nachts werde ich fahren. Ich blättere in einem der Kataloge und überlege, ob ich zum Abschied noch den Namen Watzeks auf einem der von mir gezeichneten Grabsteine unterbringen soll- da klingelt das Telefon.

»Bist du der, der Ludwig heißt?«fragt eine rauhe Stimme.»Der, der die Frösche und Blindschleichen gesammelt hat?«

»Ka

»Fritzi.«

»Fritzi! Natürlich bin ich es. Was ist los? Hat Otto Bambuss -«

»Das Eiserne Pferd ist tot.«

»Was?«

»Ja. Gestern abend. Herzschlag. Bei der Arbeit.«

»Ein schöner Tod«, sage ich.»Aber zu früh!«

Fritzi hustet. Da

»Wir haben das beste Denkmalgeschäft in der Stadt«, erwidere ich.»Warum?«

»Warum? Mein Gott, Ludwig, dreimal darfst du raten! Die Madame will den Auftrag natürlich einem Kunden geben. Und du hast doch auch auf dem Eisernen Pferd -«

»Ich nicht«, unterbreche ich sie.»Aber es ka

»Einerlei, ein Kunde soll den Auftrag haben. Komm raus! Aber bald! Es war schon einer hier, ein Reisender von der Konkurrenz – er weinte dicke Tränen und behauptete, er hätte auch auf dem Pferd -«

Tränen-Oskar! Kein Zweifel!»Ich komme sofort!«sage ich.»Die Heulboje lügt!«

Die Madame empfängt mich.»Wollen Sie sie sehen?«fragt sie.

»Ist sie hier aufgebahrt?«

»Oben, in ihrem Zimmer.«

Wir gehen die knarrenden Treppen hinauf. Die Türen stehen offen. Ich sehe, daß die Mädchen sich anziehen.

»Arbeiten sie heute auch?«frage ich.

Die Madame schüttelt den Kopf.»Heute abend nicht. Die Damen ziehen sich nur an. Gewohnheit, verstehen Sie? Ist übrigens kein großer Verlust. Seit eine Mark wieder eine Mark ist, ist das Geschäft wie abgeschnitten. Kein Aas hat mehr Geld. Komisch, was?«

Es ist nicht komisch; es ist wahr. Die Inflation ist sofort zur Deflation geworden. Da, wo es vorher von Billionen gewimmelt hat, rechnet man jetzt wieder mit Pfe

Das Eiserne Pferd liegt zwischen grünen Topfpflanzen und Lilien aufgebahrt. Es hat plötzlich ein strenges, altes Gesicht, und ich erke