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XXIV

Es war drei Wochen später, an einem kalten Abend im Januar. Ich saß im International und spielte mit dem Wirt»Siebzehn und vier«. Das Lokal war leer, nicht einmal die Huren waren gekommen. Die Stadt war unruhig. Draußen marschierten alle Augenblicke Kolo

»Es gibt keine Ruhe«, sagte der Wirt und zeigte eine Sechzehn vor.

»Seit dem Krieg hat's keine Ruhe mehr gegeben. Und damals haben wir doch alle nichts anderes gewollt als Ruhe. Verrückte Welt!«

Ich zeigte Siebzehn vor und strich den Pott ein.»Die Welt ist nicht verrückt«, sagte ich.»Nur die Menschen.«

Alois, der hinter dem Stuhl des Wirtes stand und kiebitzte, erhob Einspruch.»Verrückt sind die nicht. Bloß habgierig. Einer gö

»Klar«, sagte ich und paßte bei zwei Karten.»Daran liegt's aber seit ein paar tausend Jahren.«

Der Wirt deckte auf. Er hatte fünfzehn und sah mich zweifelnd an. Da

Alois meckerte. Ich strich das Geld ein. Der Wirt gähnte und sah nach der Uhr:»Fast elf. Ich glaube, wir machen Schluß. Kommt doch keiner mehr.«

»Da kommt noch einer«, sagte Alois.

Die Tür ging auf. Es war Köster.»Gibt's was Neues draußen, Otto?«

Er nickte.»Eine Saalschlacht in den Borussiasälen. Zwei Schwerverletzte, ein paar Dutzend Leichtverletzte und ungefähr hundert Verhaftungen. Zwei Schießereien im Norden. Ein Schupo tot. Weiß nicht, wieviel Verletzte. Na, und jetzt geht's ja wohl erst noch los, we

»Ja«, sagte ich.»Wir wollten gerade Schluß machen.«

»Da

Ich sah zum Wirt hinüber. Er nickte.»Also, Servus«, sagte ich.

»Servus«, erwiderte der Wirt träge.»Nehmt euch in acht.«

Wir gingen hinaus. Draußen roch es nach Schnee. Flugblätter lagen wie große, tote, weiße Schmetterlinge auf der Straße.

»Gottfried ist nicht da«, sagte Köster.»Er steckt in einer dieser Versammlungen. Ich habe gehört, daß sie gesprengt werden sollen, und glaube, daß noch allerhand passieren wird. Es wäre ganz gut, we

»Weißt du de





»Nicht genau. Aber ziemlich sicher in einer der drei Hauptversammlungen. Wir müssen sie abfahren. Gottfried mit seinem leuchtenden Haarschopf ist ja leicht zu erke

»Gut.«Wir stiegen ein und jagten mit Karl los zum ersten Versammlungslokal.

Auf der Straße stand ein Lastwagen mit Schupos. Die Sturmriemen der Tschakos waren heruntergelassen. Karabinerläufe schimmerten stumpf im Laternenlicht. Bunte Fahnen hingen in den Fenstern. Vor dem Eingang drängte sich eine Anzahl uniformierter Leute. Fast alle waren sehr jung.

Wir kauften zwei Billetts, lehnten Broschüren, Sammelbüchsen und Mitgliedserklärungen ab und gingen in den Saal. Er war voll besetzt und gut beleuchtet, um Zwischenrufer sofort herausfinden zu kö

Auf dem Podium stand ein kräftiger, untersetzter Ma

Das Publikum tobte Beifall, es klatschte und schrie, als sei damit schon alles anders geworden. Der Ma

Ich sah mir die Zuhörer an. Es waren Leute aller Berufe, Buchhalter, kleine Gewerbetreibende, Beamte, eine Anzahl Arbeiter und viele Frauen. Sie saßen jetzt da in dem heißen Saal, zurückgelehnt oder vorgebeugt. Reihe an Reihe, Gesicht neben Gesicht, der Strom der Worte spülte über sie hin, und es war sonderbar: So verschieden sie auch waren, die Gesichter hatten alle den gleichen, abwesenden Ausdruck, einen schläfrig-süchtigen Blick in die Ferne einer nebeligen Fata Morgana, es war Leere darin und zugleich eine übermächtige Erwartung, die alles auslöschte, Kritik, Zweifel, Widersprüche und Fragen, den Alltag, die Gegenwart, die Realität. Der da oben wußte alles – er hatte für jede Frage eine Antwort, für jede Not eine Hilfe. Es war gut, sich ihm anzuvertrauen. Es war gut, jemand zu haben, der für einen dachte. Es war gut, zu glauben.

Köster stieß mich an. Lenz war nicht da. Er winkte mit dem Kopf nach dem Ausgang. Ich nickte, und wir gingen.

Die Saalwachen sahen uns finster und argwöhnisch nach. Im Vorraum stand eine Kapelle, fertig zum Einmarsch in den Saal. Ein Wald von Fahnen und Abzeichen dahinter.

»Gut gemacht, was?«fragte Köster draußen.

»Erstklassig. Das ka

Wir fuhren ein paar Straßen weiter. Dort war die zweite politische Versammlung. Andere Fahnen, andere Uniformen, ein anderer Saal; aber sonst alles ähnlich. Auf den Gesichtern der gleiche Ausdruck von Ungewisser Hoffnung und gläubiger Leere. Ein weißgedeckter Vorstandstisch, quer vor den Stuhlreihen. Daran die Parteisekretäre, der Vorstand, ein paar eifrige alte Jungfern. Der Redner, ein Beamtentyp, war schwächer als der vorige. Er redete Papierdeutsch, er brachte Zahlen, Beweise, es stimmte alles, was er sagte, aber trotzdem überzeugte er weniger als der andere, der überhaupt nichts bewies, sondern nur behauptete. Müde dösten die Parteisekretäre am Vorstandstisch vor sich hin; sie hatten Hunderte solcher Versammlungen hinter sich.

»Komm«, sagte Köster nach einer Weile.»Hier ist er auch nicht. Habe ich übrigens auch nicht erwartet.«

Wir fuhren weiter. Die Luft war kalt und frisch nach dem verbrauchten Dunst in den überfüllten Sälen. Der Wagen schoß durch die Straßen. Wir kamen am Kanal vorbei. Die Laternen warfen öliggelbe Reflexe auf das dunkle Wasser, das leise an die betonierten Ufer klatschte. Eine Zille zog schwarz und langsam vorüber. Der Schleppdampfer hatte rote und grüne Signallichter gesetzt. Ein Hund bellte herüber, da