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Kern ging zu Ruth, die in einem Café an der nächsten Ecke auf ihn gewartet hatte. Sie hatte einen Stadtplan und eine französische Grammatik vor sich.»Hier«, sagte sie,»das habe ich mir in einer Buchhandlung inzwischen gekauft. Billig. Antiquarisch. Ich glaube, es sind die beiden Waffen, die wir brauchen, um Paris zu erobern.«

»Exakt. Wir wollen sie sofort benutzen. Laß uns nachsehen, wo die Rue de Ture

Das Hotel Verdun war ein altes, baufälliges Haus, von dem der Verputz in großen Stücken herabgefallen war. Es hatte eine kleine Eingangstür, hinter der sich eine Loge befand, in der die Wirtin, eine hagere, schwarzgekleidete Frau, saß.

Kern brachte in stockendem Französisch sein Anliegen vor. Die Wirtin musterte beide mit glänzenden, schwarzen Vogelaugen von oben bis unten.»Mit oder ohne Pension?«fragte sie da

»Was kostet es mit Pension?«

»Zwanzig Francs pro Person. Drei Mahlzeiten. Frühstück auf dem Zimmer, die andern im Speisesaal.«

»Ich glaube, wir nehmen für den ersten Tag mit Pension«, sagte Kern auf deutsch zu Ruth.»Wir kö

Ruth nickte.

»Also mit Pension«, sagte Kern.»Ist ein Unterschied im Preis, we

Die Wirtin schüttelte den Kopf.»Doppelzimmer sind nicht frei. Sie haben hunderteinundvierzig und zweiundvierzig.«Sie warf zwei Schlüssel auf den Tisch.»Zahlung jeden Tag. Im voraus.«

»Gut.«Kern schrieb die Anmeldeformulare ohne Datum aus. Da

Die beiden Zimmer lagen nebeneinander. Es waren schmale einbettige Kammern nach dem Hof hinaus. Das Zimmer im Hotel Habana war ein Palast dagegen gewesen.

Kern sah sich um.»Das sind richtige Emigrantenbuden«, sagte er.»Trostlos, aber anheimelnd. Sie versprechen nicht mehr, als sie halten wollen. Was meinst du?«

»Ich finde sie großartig«, erwiderte Ruth.»Jeder hat ein Zimmer und ein Bett. Denk nur, wie es in Prag war! Zu dritt und viert in einem Zimmer.«

»Richtig, das hatte ich ganz vergessen. Ich dachte eben an die Wohnung der Familie Neuma

Ruth lachte.»Und ich an die Scheune, in der wir naßgeregnet wurden.«

»Du denkst besser als ich. Aber du weißt, weshalb ich so denke?«

»Ja«, sagte Ruth,»aber es ist falsch, und es beleidigt mich. Wir werden etwas Seidenpapier kaufen und daraus herrliche Lampenschirme machen. Wir werden hier Französisch lernen an diesem Tisch und draußen über dem Dach ein Stück Himmel sehen. Wir werden schlafen in diesen Betten, die die besten der Welt sein sollen, und aufwachen, und we

»Gut!«sagte Kern.»Da

Der Speisesaal des Hotels Verdun befand sich im Kellergeschoß. Er wurde von den Gästen deshalb als die Katakombe bezeichnet. Man hatte einen langen, verwickelten Weg, um hinzukommen – über Treppen, durch Gänge und sonderbare, seit Jahrzehnten eingemottete Zimmer, in denen die Luft stillstand wie Wasser in einem moorigen Teich. Er war ziemlich groß; de

Dieser gemeinsame Speisesaal war die Attraktion der beiden baufälligen Hotels. Es war für die Emigranten das, was die Katakomben im alten Rom für die Christen waren. Wurde im International kontrolliert, so verschwand alles durch den Speisesaal zum Verdun hinüber; und umgekehrt ebenso. Der gemeinsame Keller war die Rettung.

Kern und Ruth blieben einen Moment unschlüssig an der Tür stehen. Es war Mittag, aber der Speisesaal war, da er keine Fenster hatte, erleuchtet. Das elektrische Licht wirkte merkwürdig verloren und krank um diese Stunde – als wäre ein Stück Zeit vom Abend vorher übriggeblieben und vergessen worden.

»Da ist ja Marill!«sagte Kern.

»Wo?«-»Drüben, neben der Lampe! So was! Da haben wir ja gleich jemand, den wir ke





Marill sah sie jetzt. Er rückte einen Augenblick ungläubig an seiner Brille. Da

»Doktor Klassma

»Klassma

»Ja, aber nur für einen Tag.«

»Gut. Ändert das morgen. Zahlt nur das Zimmer, und kauft euch das andere selbst. Viel billiger! Ab und zu eßt ihr da

»Wie ist es hier?«

»Hier? Mein Junge… Österreich, die Tschechoslowakei, die Schweiz, das war der Bewegungskrieg der Emigranten, aber Paris ist der Stellungskrieg. Die vorderste Linie der Schützengräben. Jede Emigrationswelle ist bis hierher gerollt. Sehen Sie den Ma

Sie setzten sich an Marills Tisch.»We

Yvo

»Habt ihr Geld, Kinder?«fragte Marill.

»Für ungefähr zwei Wochen«, erwiderte Kern.

Marill nickte.»Das ist gut. Habt ihr schon überlegt, was ihr machen wollt?«

»Nein. Wir sind erst gestern angekommen. Wovon leben alle die Leute hier?«

»Gut gefragt, Kern. Fangen wir mit mir an. Ich lebe von Artikeln, die ich für ein paar Emigrantenblätter schreibe. Die Leute kaufen sie, weil ich mal Reichstagsabgeordneter war. Die Russen haben alle Nansenpässe und Arbeitserlaubnis. Sie waren die erste Emigrationswelle. Vor zwanzig Jahren. Sie sind Kellner, Köche, Masseure, Portiers, Schuhmacher, Chauffeure und so etwas. Die Italiener sind auch zum größten Teil untergebracht; sie waren die zweite Welle. Wir Deutschen haben zum Teil noch gültige Pässe; die wenigsten haben eine Arbeitserlaubnis. Manche besitzen noch etwas Geld, das sie sehr vorsichtig einteilen. Die meisten aber haben keins mehr. Sie arbeiten schwarz für das Essen und ein paar Francs. Sie verkaufen, was sie noch besitzen. Dort drüben der Rechtsanwalt macht Übersetzungen und Schreibmaschinenarbeit. Neben ihm der junge Ma

»Ich war da«, sagte Kern.»Heute vormittag.«

»Nichts bekommen?«

»Nein.«

»Macht nichts. Sie müssen wieder hingehen. Ruth muß zur jüdischen gehen; Sie zur gemischten; ich gehöre zur arischen.«Marill lachte.»Das Elend hat seine Bürokratie, wie Sie sehen. Haben Sie sich eintragen lassen?«

»Nein, noch nicht.«

»Machen Sie das morgen. Klassma