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»Hier, mein Lieber!«Er hielt Kern die Zeitung hin.»Zwei Seiten! Jede Woche zwei volle Seiten, nur in dieser einen Zeitung. Sehen Sie bloß die Überschriften, wie es da von Seele, Güte, Kameradschaft, Liebe, Freundschaft wimmelt! Ein wahres Paradies! Der Garten Eden in der Wüste der Politik! Das belebt und erfrischt! Da sieht man, daß es in diesen jämmerlichen Zeiten doch auch noch gute Menschen gibt. Richtet immer auf, so was…«

Er warf die Blätter hin.»Warum sollte nicht auch mal drin-stehen: Kommandant eines Konzentrationslagers, tiefes Gemüt, zarte Seele…«

»Er hält sich gewiß dafür«, sagte Kern.

»Sicher! Je primitiver ein Mensch ist, für um so besser hält er sich, das sehen Sie ja an den Anzeigen hier. Das gibt«- Marill grinste -»die Stoßkraft! Die blinde Überzeugung! Zweifel und Toleranz sind die Eigenschaften des Kulturmenschen. Daran geht er immer aufs neue zugrunde. Die alte Sisyphusarbeit. Eines der tiefsten Gleichnisse der Menschheit.«

»Herr Kern, da ist jemand, der will Sie sprechen«, meldete plötzlich der Pikkolo des Hotels aufgeregt.»Scheint keine Polizei zu sein!«

Kern stand rasch auf.»Gut, ich komme.«

ER ERKANNTE DEN dürftigen älteren Ma

»Vater!«sagte er da

»Ja, Ludwig.«

Der alte Kern wischte sich den Schweiß von der Stirn.»Heiß ist es«, sagte er mit einem matten Lächeln.

»Ja, sehr heiß. Komm, wir gehen hier in das Zimmer mit dem Klavier. Da ist es kühl.«

Sie setzten sich. Kern stand gleich wieder auf, um seinem Vater eine Zitronenlimonade zu holen. Er war sehr beunruhigt.»Wir haben uns lange nicht gesehen, Vater«, sagte er vorsichtig, als er zurückkam.

Der alte Kern nickte.»Darfst du hierbleiben, Ludwig?«

»Ich glaube nicht. Du ke

»Und willst du da

»Nein, Vater. Es sind jetzt zu viele Emigranten hier. Das wußte ich nicht. Ich werde sehen, daß ich wieder nach Wien zurückkomme. Da ist es leichter, unterzutauchen. Was machst du de

»Ich war krank, Ludwig. Grippe. Vor ein paar Tagen bin ich erst wieder aufgestanden.«

»Ach so…«Kern atmete befreit auf.»Krank warst du! Bist du de

»Ja, du siehst es ja…«

»Und was tust du, Vater?«

»Ich bin irgendwo untergekommen.«

»Du wirst gut bewacht«, sagte Kern und lächelte.

Der Alte blickte ihn so gequält und verlegen an, daß er stutzte.»Geht’s dir nicht gut, Vater?«fragte er.

»Gut, Ludwig, was heißt für uns gut? Ein bißchen Ruhe, das ist schon gut. Ich mache etwas; ich führe Bücher. Es ist nicht viel. Aber es ist eine Beschäftigung. In einer Kohlenhandlung.«

»Das ist doch großartig. Wieviel verdienst du de

»Ich verdiene nichts; nur ein Taschengeld. Ich habe dafür das Essen und die Wohnung.«

»Das ist auch schon etwas. Morgen komme ich dich besuchen, Vater!«

»Ja – ja – oder ich ka

»Aber wozu sollst du laufen? Ich komme schon…«

»Ludwig…«Der alte Kern schluckte.»Ich möchte lieber hierher kommen.«

Kern sah ihn erstaunt an. Und plötzlich verstand er alles. Das kräftige Weib an der Tür. – Sein Herz schlug einen Augenblick wie ein Hammer gegen seine Rippen. Er wollte aufspringen, seinen Vater nehmen, mit ihm fortre

»Sie haben mich zweimal ausgewiesen, Ludwig. We





»Sicher, Vater«, sagte Kern ruhig.

»Ich arbeite auch etwas. Ich verdiene das, was ich koste. Es ist nicht so… du weißt… so nicht. Aber ich ka

»Ich verstehe das, Vater.«

Der Alte sah vor sich hin.»Ich denke manchmal, Mutter sollte sich scheiden lassen. Da

»Möchtest du de

»Nein, nicht für mich. Für sie. Ich bin doch schuld an allem. We

Es war Kern schrecklich zumute. Das war nicht mehr sein heiterer, lebensfroher Vater aus Dresden; – das war ein rührender, älterer, hilfloser Ma

»Du verstehst es, Ludwig?«murmelte Siegmund Kern.

»Ja, Vater. Es ist nichts dabei. Gar nichts dabei.«Er klopfte ihm zart mit der Handfläche auf den knochigen Rücken und starrte über seine Schulter hinweg auf das Bild der Schneeschmelze in Tirol, das über dem Klavier hing.

»Ich werde da

»Ja.«

»Ich will nur noch die Zitrone bezahlen. Ich habe dir auch eine Schachtel Zigaretten mitgebracht. Du bist groß geworden, Ludwig, groß und kräftig.«

Ja, und du alt und zittrig, dachte Kern. Hätte ich doch nur einen von denen drüben, die dich soweit gebracht haben, hier, um ihm das satte, zufriedene, dumme Gesicht zu zerschlagen!

»Du hast dich auch gut gehalten, Vater«, sagte er.»Die Zitrone ist schon bezahlt. Ich verdiene jetzt etwas Geld. Und weißt du, womit? Mit unseren alten eigenen Sachen. Mit deiner Mandelcreme und deinem Farr-Toilettewasser. Ein Drogist hier hat noch einen Stock davon, bei dem kaufe ich es ein.«

Die Augen Siegmund Kerns belebten sich etwas. Da

»Ach wo!«Kern schluckte etwas jäh in seinem Halse Aufsteigendes hinunter.»Es ist die beste Schule der Welt, Vater. Man lernt das Leben von unten ke

»Werde nur nicht krank.«

»Nein, ich bin sehr abgehärtet.«

Sie gingen hinaus.»Du hast so viel Hoffnung, Ludwig…«Mein Gott, Hoffnung ne

»Ja…«Der Alte blickte vor sich hin.»Ludwig«, sagte er da

Er sprach leise und kindlich und zutraulich; es war wie das Gezwitscher eines müden Vogels.»Ohne mich kö

»Ohne dich wäre ich gar nicht am Leben, Vater«, erwiderte Kern.

»Bleib gesund, Ludwig. Willst du nicht die Zigaretten nehmen? Ich bin doch dein Vater, ich möchte dir gern etwas geben.«

»Gut, Vater. Ich werde sie behalten.«

»Vergiß mich nicht ganz«, sagte der alte Ma