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Selbst der große Antimetaphysiker Immanuel Kant, der meinte, dass die Ordnung der Welt gar nicht Gegenstand der Philosophie sein kö

Exakt dieser Befund gilt auch für den ‚Evolutions‘-Begriff in der modernen Literaturgeschichtsschreibung und Literaturwissenschaft. Doch auf dem Weg zu Veselovskij, Curtius und Ėjchenbaum bedarf es noch einer Zwischenstation.

Der größere Bruder des ‚Evolutions‘-Begriffs ist das philosophische Konzept des Holismus. Entsprechend na

Auch we

Dabei wusste Goethe sehr wohl um die metaphysische Dimension dieses holistischen Denkansatzes. In den Zahmen Xenien heißt es entsprechend:

Sagst Du: Gott! So sprichst Du vom Ganzen [Goethe 1987, I/5,1: 144].

Oder weniger poetisch in seinen Spinoza-Studien:

In jedem lebendigen Wesen sind das, was wir Theile ne



Das gilt analog für das Individuum im Verhältnis zum Ganzen seiner geschichtlichen Umwelt, was uns hier nicht weiter interessiert; es gilt aber auch für das Kunstwerk als kleine Schöpfung des Künstlers im Verhältnis zur Welt als großer Schöpfung Gottes:

Jedes Schöne Ganze der Kunst ist im Kleinen ein Abdruck des höchsten Schönen, im Ganzen der Natur [Goethe 1987, I/47: 86].

Holistisches Denken gewa

Für das neue diachrone Ordnungsdenken steht das Modell der Geschichtserzählung, und zwar einer Geschichte im Singular, die alle Geschichten im Plural, wie man sie in der Vormoderne verzeichnete, aufsaugt, verdaut und daraus einen ununterbrochenen Faden der Kohärenz spi

Dafür schloss man die überlieferten Daten, Fakten und Einzelgeschichten großräumig zu einem Ganzen zusammen, das im 18. Jahrhundert „Universalgeschichte“ hieß. In einem strukturierten Zeitkontinuum erzählt Universalgeschichte im 18. Jahrhundert von der „Vervollkommnung des Menschengeschlechts“, organisiert die eine Geschichte also als ganzheitlichen, sich langsam entfaltenden Si

Im Journal meiner Reise im Jahre 1769 beschwört Herder den holistischen Zuschnitt einer entstehenden Universalgeschichte:

Welch ein Werk über das Menschliche Geschlecht! den Menschlichen Geist! die Cultur der Erde! aller Räume! Zeiten! Völker! Kräfte! Mischungen! Gestalten! […] Grosses Thema: das Menschengeschlecht wird nicht vergehen, bis daß es alles geschehe! Bis der Genius der Erleuchtung die Erde durchzogen! Universalgeschichte der Bildung der Welt! [Herder 1877–1913, IV/353]

Nur einige Jahrzehnte später differenziert sich aus der Universalgeschichte die Kunst- und Literaturgeschichte aus, doch das holistischmetaphysische Erbe bleibt auch dieser unverändert eingeschrieben. In seiner Abhandlung „Begriff einer Geschichte der Kunst und ihre Beziehung auf die Theorie“ von 1801/02 wiederholt August Wilhelm Schlegel fast wörtlich Herders Emphase: „Folglich ist alle Geschichte Bildungsgeschichte der Menschheit“. Geschichte sei „Evolution des menschlichen Geistes“, sie zeuge von einem „unendliche[n] Fortschritt“, der sich aber nur bei der Betrachtung des Ganzen zeige. Es gelte: „nur im Ganzen darf die Beziehung auf eine Idee liegen“ [Schlegel, A. W. 1975: 68].

Zwei Jahre später beschwört Friedrich Schlegel in seinem Aufsatz „Geschichte der europäischen Literatur“ deren i

Dieser außerordentliche Umfang [der europäischen Literatur] macht die IDEE DES GANZEN notwendig […]. Die europäische Literatur bil-det ein zusammenhängendes Ganzes, wo alle Zweige i

Man meint, hier bereits Ernst Robert Curtius zu hören:

Die europäische Literatur ist der europäischen Kultur zeitlich koextensiv, umfaßt also einen Zeitraum von etwa sechsundzwanzig Jahrhunderten […]. Man erwirbt das Bürgerrecht im Reiche der europäischen Literatur nur, we

In den 1990er Jahren unternahm es Aleksandr Michajlov, dem westeuropäischen, speziell dem deutschsprachigen Publikum die russische Literaturwissenschaft zu erklären. Sein Ansatz war überaus subtil. Sein Bericht „Zum heutigen Stand der Germanistik in Rußland“ von 1995 begi