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XIX

Sie sitzt in einer Ecke ihres Zimmers, neben das Fenster gedrückt.»Isabelle«, sage ich.

Sie antwortet nicht. Ihre Augenlider flattern wie Schmetterlinge, die von Kindern lebend auf Nadeln gespießt sind.

»Isabelle«, sage ich.»Ich bin gekommen, um dich abzuholen.«

Sie erschrickt und drückt sich gegen die Wand. Sie sitzt steif und verkrampft da.»Ke

Sie bleibt still sitzen; nur die Augen drehen sich zu mir herüber, wachsam und sehr dunkel.»Der, der sich als Doktor ausgibt, hat dich geschickt«, flüstert sie.

Es ist wahr. Wernicke hat mich geschickt.»Er hat mich nicht geschickt«, sage ich.»Ich bin heimlich gekommen. Keiner weiß, daß ich hier bin.«

Sie löst sich langsam von der Wand.»Du hast mich auch verraten.«

»Ich habe dich nicht verraten. Ich ko

»Ich ko

»Wer?«

Sie sieht mich an und antwortet nicht. Wie schmal sie ist! denke ich. Wie schmal und wie allein in diesem kahlen Zimmer! Sie hat nicht einmal sich selbst. Nicht einmal das Alleinsein ihres Ichs. Sie ist zersprengt wie eine Granate in lauter scharfkantige Stücke von Angst in einer fremden, drohenden Landschaft unfaßbarer Schrecken.

»Niemand wartet auf dich«, sage ich.

»Doch.«

»Woher weißt du das?«

»Die Stimmen. Hörst du sie nicht?«

»Nein.«

»Die Stimmen wissen alles. Hörst du sie nicht?«

»Es ist der Wind, Isabelle.«

»Ja«, sagt sie ergeben.»Meinetwegen ist es der Wind. We

»Was tut weh?«

»Das Sägen. Sie kö

»Wer sägt?«

»Die Stimmen.«

»Stimmen kö

»Diese sägen.«

»Wo sägen sie?«

Isabelle macht eine Bewegung, als habe sie heftige Schmerzen. Sie preßt ihre Hände zwischen die Oberschenkel.

»Sie wollen es heraussägen. Ich soll nie Kinder haben.«

»Wer?«

»Die draußen. Sie sagt, sie hätte mich geboren. Jetzt will sie mich wieder in sich zurückreißen. Sie sägt und sägt. Und er hält mich fest.«Sie schauert.»Er – der in ihr ist -«

»In ihr?«

Sie stöhnt.»Sag es nicht – sie will mich töten – ich darf es nicht wissen -«

Ich gehe zu ihr hinüber, um einen Lehnstuhl mit einem fahlen Rosenmuster herum, der sonderbar beziehungslos mit seiner Imitation des süßen Lebens in diesem kahlen Raum steht.»Was darfst du nicht wissen?«

»Sie will mich töten. Ich darf nicht schlafen. Warum wacht niemand mit mir? Alles muß ich allein tun. Ich bin so müde«, klagt sie, wie ein Vogel.»Es bre





»Ich habe dich nicht verlassen.«

»Du hast mit ihnen gesprochen. Sie haben dich bestochen. Warum hast du mich nicht gehalten? Die blauen Bäume und der Silberregen. Du aber hast nicht gewollt. Nie! Du hättest mich retten kö

»Wa

Isabelle wendet ihr Gesicht zurück zur Mauer.»Ach, es ist verloren – so viele Leben lang schon.«

Die Dämmerung fällt plötzlich in das Fenster. Sie verhängt es mit einem Schleier aus fast unsichtbarem Grau. Alles ist noch da wie vorher, das Licht draußen, das Grün, das Gelb der Wege, die zwei Palmen in den großen Majolikatöpfen, der Himmel mit den Wolkenfeldern, das ferne, graue und rote Dächergewimmel in der Stadt hinter den Wäldern – und nichts ist mehr da wie vorher, die Dämmerung hat es isoliert, sie hat es mit dem Lack der Vergänglichkeit überzogen, es zum Fraß vorbereitet, wie Hausfrauen einen Sauerbraten mit Essig, für die Schattenwölfe der Nacht. Nur Isabelle ist noch da, geklammert an das letzte Seil des Lichtes, aber auch sie ist schon hineingezogen an ihm in das Drama des Abends, das nie ein Drama war und nur eines ist, weil wir wissen, daß es Vergehen heißt. Erst seit wir wissen, daß wir sterben müssen, und weil wir es wissen, wurde Idyll zu Drama, Kreis zur Lanze, Werden zu Vergehen und Schrei zu Furcht und Flucht zu Urteil.

Ich halte sie fest in den Armen. Sie zittert und sieht mich an und drückt sich an mich, und ich halte sie, wir halten uns – zwei Fremde, die nichts voneinander wissen und sich halten, weil sie sich mißverstehen und sich für etwas anderes halten, als sie sind, und die doch flüchtigen Trost aus diesem Mißverständnis schöpfen, einem doppelten und dreifachen und endlosen Mißverständnis, und doch dem einzigen, das wie ein Regenbogen eine Brücke vorgaukelt, wo niemals eine sein ka

»Ich liebe dich. Alles in mir liebt dich.«

»Nicht genug. Die anderen sind immer noch da. We

Ich halte sie in den Armen und sehe über sie hinweg in den Park, wo die Schatten wie amethystene Wellen von der Ebene und von den Alleen heraufwehen. Alles in mir ist scharf und klar, aber gleichzeitig ist mir, als stände ich auf einer schmalen Plattform sehr hoch über einer murmelnden Tiefe.»Du würdest es nicht ertragen, daß ich außer dir lebte«, flüstert Isabelle.

Ich weiß nichts zu antworten. Immer rührt mich etwas an, we

»Nichts stirbt, Isabelle. Nie.«

»Doch! Das steinerne Gesicht – es zerspringt in Stücke. Morgen ist es wieder da. Ach, es ist kein Gesicht! Wie wir lügen, mit unseren armen Gesichtern! Du lügst auch -«

»Ja -«sage ich.»Aber ich will es nicht.«

»Du mußt das Gesicht herunterscheuern, bis nichts mehr da ist. Nur glatte Haut. Nichts mehr! Aber da

»Was kö

»Das, was blüht. Es ist voll Schlamm. Es kommt aus den Kanälen.«

Sie zittert wieder und drückt sich an mich.»Sie haben meine Augen festgeklebt. Mit Leim, und da

»Wegsehen wovon?«

Sie stößt mich von sich.»Sie haben dich auch ausgeschickt! Ich verrate nichts! Du bist ein Spion. Sie haben dich gekauft! We

»Ich bin kein Spion. Warum sollten sie dich töten, we

Es dringt durch zu ihr. Sie sieht mich wieder an. Sie überlegt. Ich halte mich so still, daß ich kaum atme. Ich spüre, daß wir vor einer Tür stehen und daß dahinter die Freiheit sein kö